und dennoch, wieder einmal mehr gehen mir die Augen auf,
auch wenn ich nicht weis, in welchem Stadium der Öffnung sie sich gerade
befinden, so merke ich doch zusehends, dass es „heller“ wird um mich und was
ich sehe ist bedrohlich finster.
Wie konnte ich so lange schlafen? Doch, ich weis es, ich
weis auch warum ich so lange die Augen verschlossen hielt, mich verbarg vor
dieser Welt und deren politisch-gesellschaftlichen Abläufen, ich wäre mental
nie und nimmer in der Lage gewesen, all dem zu folgen, geschweige denn, es
adäquat zu verarbeiten und schon gar nicht als Künstlerin, also, wartete ich
den rechten Zeitpunkt ab, den Tag, an dem ich mich so sicher in meiner Denke
verankert hatte, dass ich den Schritt in die klare Kälte draußen wagen kann.
Nun gut, das mit dem Tag nehmt nicht so genau, es war
schon ein Prozess über Jahre…
Die Erde erwärmt sich, weil die Menschen erkalten, welch
ein Paradoxon. Jetzt könnte jeder einwenden, welch einen Zusammenhang denn
diese Behauptung haben sollte. Doch, denkt man länger drüber nach, weis man es.
Das Klima wandelte sich schon immer, auch ohne den Einfluss des Menschen. Und,
was hilft uns dieser Einwand? Er bringt uns keinen Schritt weiter und die
Tatsache, dass sich selbst die Wissenschaft über Ursache und Auswirkung einer
Erderwärmung nicht einig sind, hilft uns auch nicht, die Katastrophen besser
meistern zu können, weder jene, die uns aus der Natur drohen, noch die, die uns
gesellschaftlich und sozial das Messer an den Hals setzen.
Was ist die Ursache des Übels?
Sie
liegt irgendwo tief im
Menschen verankert – hier wären die Psychologen gefragt, normalerweise,
doch da
sehe ich eine Gefahr, ebenso, wie ich eine Gefahr drin sehe zu sagen:
„ich fühl mich unwohl, also, gehe ich zum Arzt, der ist zuständig…“.
Verantwortung wegschieben, sich einen Fachmann suchen für
die Probleme, die vor unseren Augen auftauchen, wenn wir sie denn überhaupt
wahrnehmen wollen. Ja, wie soll so ein armer Mensch seine Krankheit erkennen
können, geschweige denn heilen, wenn er sich mit dem eigenen Körper nicht auskennt?
Und wer tut das schon? Es wäre jedoch das Mindeste, zu wissen, wie das lebende
Ding funktioniert in dem ich da stecke, wie es sich auswirkt, wenn ich ihm
etwas antue und was er braucht, damit es ihm besser geht. Selbst zu einer solch
einfachen, grundlegenden Verantwortung sind wir nicht in der Lage, brauchen wir
Fachleute dazu und erhalten damit einen
riesengroßen Wirtschaftszweig, der sich an unserer Dummheit und Naivität
dumm und dusselig verdient.
(Ernsthaft erkrankte Menschen schließe ich natürlich aus!)
Ähnlich verständnislos stehen wir dem Geschehen um
uns herum gegenüber.
Doch, da gibt es Menschen, die sich engagieren, politisch,
gesellschaftlich und vielleicht auch wirtschaftlich, denen möchte ich nicht
unrecht tun. Ich kenne doch viele, die einen großen Teil ihrer Zeit einer guten
Sache widmen und versuchen, Einfluss zu nehmen. Dennoch hinterfrage ich, tun
sie es wirklich oder macht es nur so den Anschein? Wie konsequent sind diese
Menschen tatsächlich und wie gutgläubig und naiv bin ich selbst? Ich weis zu
gut, wie gerne ich meinem Wunschdenken über eine bessere Welt verfalle und in
jedem, der ein wenig Interesse an einem anderen zeigt, einen selbstlosen
Wohltäter sehen möchte. Also, Scheuklappen weg und den Betrachtungsrahmen etwas
erweitern… Was sehe ich? Menschen, die nach Sinn suchen für ihr eigenes Leben,
so wie ich, die sich nicht vorwerfen möchten, sie hätten nichts getan, die eine
Möglichkeit sehen, ihre Ideale mit einem Broterwerb zu verbinden, was ja nur zu
verständlich ist. Und da hakt es schon.
Was wollen wir denn wirklich? Genau
das, was jedes andere Tier auch will, überleben und das möglichst gut und
sicher um die eigene Art zu erhalten, also, sind wir uns selbst die Nächsten.
Alles andere sind doch exotisch anmutende Blüten, mit denen wir belebende
Bilder in eine trist scheinende Welt zu malen versuchen. Gedankenkonstrukte, an
die wir uns halten um eine Orientierung in diesem unüberschaubar vielfältigen
Angebot von Lebensformen zu behalten.
Um
zu überleben gibt es eine Menge unterschiedlicher
Strategien. Eine sehr starke und wirkungsvolle ist Besitz und damit
Macht und
Einfluss. Will ein Einzelner oder eine kleine Gruppe Gleichgesinnter
Macht und
Einfluss ausüben, braucht er/sie sehr viel Besitz. Dem gegenüber steht
eine riesige
Menge von Menschen, die nur sehr wenig bis gar keinen Besitz haben. Die
Menge
ist so groß, dass sie durch ihre Größe den Machtverlust ausgleichen
könnte. Tut
sie aber nicht, und warum nicht? Weil sie sich ihrer Macht nicht bewusst
ist,
weil diese Menge von Menschen alle unterschiedlichen Interessen folgen
und sich
somit nicht auf ein Ziel konzentrieren. Würden sie es nämlich tun, ginge
eine
gewaltige unüberschaubare Kraft von dieser Menge aus. Tja, und das
wissen diese Wenigen mit all dem Besitz an ihrer Seite nur all zu gut.
Also, sorgen sie
dafür, dass die Interessen des Volkes in die unterschiedlichsten
Richtungen
laufen und sich bloß nicht auf die eigene Erkenntnis konzentrieren.
Man hält
die Armen weiter Mittellos, raubt ihnen gezielt den Selbstwert und verunsichert
sie zusehends damit. Man macht eine Grundsicherung attraktiver als einen Arbeitsplatz und behält so einen
Teil der Gesellschaft dauerhaft in Abhängigkeit. Das Ganze macht man auf eine
Art und Weise, dass sie sich das allernötigste an Zerstreuungsmitteln noch
leisten können. So hält man sie vor RTL Serien gefangen und beschäftigt ihren
Geist mit unsinnigen Emotionalitäten, die sie getrost in ihren Wohnzimmern
ausleben können ohne auf den Straßen randalieren zu müssen. Man mergelt sie langsam
aber sicher so weit aus, dass sie zu müde werden um den Gedanken an Revolte
überhaupt noch denken zu wollen.
Und unterm Strich gesehen kommt das den Staat immer noch
billiger, als sich einem unzufriedenen und revoltierenden Volk zu stellen.
Und die anderen, die noch in Arbeit sind? Sie werden
zunehmend einem Druck ausgesetzt, der sie ebenso verunsichert und ihnen Angst
macht, ihren Job zu verlieren. Und sie haben etwas zu verlieren, dafür hat man
vorgesorgt.
Doppelte Leistung bei einer Bezahlung von der kaum noch ein Mensch
würdig leben kann. Leiharbeitsfirmen kamen da gerade recht, helfen sie doch
glatt bei der Schaffung des neuen Sklavenstandes. Das beängstigende dabei ist,
dass viele diesen Zustand als gegeben und normal hinnehmen, vor allem die junge
Generation, die in einen solchen Zustand hineingeboren wird und ihn daher
schwer hinterfragen kann. Die einen resignieren und suchen still ihren Platz im
System, ein geringer Teil ergibt sich dem Leistungsdruck und versucht sich in
Karriere machen, und wenn’s nicht geht, hilft man ein wenig nach, Ratiofarm
dankt es uns.
Motivationslosigkeit macht sich breit, Depressionen häufen
sich und die Pharmariesen stürzen sich auf das gefundene Fressen welches sie
sich selbst servieren.
Die andere Möglichkeit, ein Volk beschäftigt zu halten und
zu lenken ist es, Feindbilder zu schaffen und davon haben wir doch reichlich.
Oh, sie kommen vom Osten, vom Süden, von überhall her, und wollen uns das
bisschen streitig machen, was wir noch unser Eigen nennen können, und dann die
Boote vor Lampedusa, wie schrecklich, aber haben wollen wir sie dann doch
nicht. Wir wollen nämlich gar nicht wissen, dass die Armut dieser Menschen
etwas mit uns zu tun hat und unserem Wohlstand, den viele von uns Jahrzehnte lang
selbstverständlich genießen durften.
Nicht zu vergessen, der Große
Feind „Terrorismus“, der rechtfertigt weltweite Abhöraktionen und so wagt man
es kaum, dem zu widersprechen, oder gar dieses aufdoktierte Bild in Frage zu
stellen. Wer will schon schuld sein an einem Terroranschlag?
Thema – Religion, der Islam wird zum willkommenen Feindbild
und wir schlucken es, ohne es zu hinterfragen. Moment mal, bevor ich etwas
runterschlucke will ich es mir genau ansehen und dann entscheiden, ob ich es
mir einverleibe oder nicht. Wie war das denn mit den Christen? Man soll nicht
in der Vergangenheit wühlen? Nicht immer so nachtragend sein, das alte endlich
mal ruhen lassen?
Gut, der neue Papst trägt gerade einen Heiligenschein, und
ich hoffe zutiefst, dass der auch echt ist und vor allem hell genug, um auch
seine umliegenden Genossen zu erleuchten, aber dennoch, ich muss nun mal das
Alte hervorholen und betrachten, um mir über die Gegenwart ein vollständigeres
Bild machen zu können, meinen Betrachtungsrahmen zu erweitern. Man verzeihe mir
bitte meine Eigenständigkeit.
Doch allmählich wird mir immer klarer an welchen Ecken und
Enden ich belogen werde und bei mir drängt sich ein ganz neues Feindbild auf
und dieser Feind erhebt sich, wie ein Berg, der aus dem Nebel vor meinen Augen
aufersteht, gewaltig, übermächtig, weil er wachsen konnte im Nebel eines
schlafenden Bewusstseins.
Im dritten Reich war das neue Medium Radio und Film ein
willkommener Helfer in Bezug auf die Verbreitung von Propaganda und gezielter
Meinungsmache. Man konnte ins Mikrofon brüllen, seine Ansichten gezielt
formulieren und hoch emotionalisiert dem Zuhörer in die Seele brennen. Und es
wirkte. Mit ein paar Zutaten wie Angst und Unsicherheit, Orientierungslosigkeit
und Sinnentfremdung brachte man ein riesiges Volk dazu etwas zu akzeptieren und
gut zu heißen, was aus nüchterner Sicht betrachtet pure Menschenverachtung war.
Und,
was ist heute? Das Grobzeug von damals hat man
ausgefeilt, ihm andere Namen gegeben, auf Hochglanz poliert und mit dem
vereisten Lächeln der TV Zeitschriftblondienen per Programm in jedes
einzelne
Wohnzimmer transportiert. Zum Glück schafft es noch das ein oder andere
kritische Wort in die Sendezeiten. Wahrheiten schaffen es höchstens als
kabarettistische Veranstaltung unter Verschlüsselung der
Sprache in die Welt oder durch auf ein erträgliches Maß an Frechheit
gestampfte
Dokumentationen. Wer zu laut schreit wird schlicht weg in Verbannung
geschickt.
Na, da lob ich mir doch die alte, dünne Zeitung mit der fetten roten
Schrift,
die mir tagtäglich erklärt, wie wichtig all meine Alltäglichkeiten sind,
gepaart mit sensationsheischender Gewalt, untermalt mit den dicken
Titten einer
üppigen Blondine, die jeden strammen Mann erstarken lässt in
selbstbeweihräuchernder Gewissheit, doch ein guter Deutscher zu sein.
Dieses vom Menschen geschaffene System mutiert allmählich
zu meinem Feindbild und ich habe die Befürchtung, dass der Mensch längst die
Macht darüber insofern verloren hat, dass er seiner Gier nach Macht und Besitz
so dermaßen Tür und Tor geöffnet hat, dass sie nicht mehr zu schließen ist und
das Kind längst im Brunnen liegt. Und wo die einen in ihrer Gier gefangen sind,
sind es die anderen in ihrer Bequemlichkeit und auf diese Weise lenken wir
unsere Arche „Leben“ langsam aber sicher auf ein rasiermesserscharfes Riff.
Ich hoffe nur, ihr wisst, wo eure Rettungsweste hängt!