Samstag, 27. Dezember 2014

Zwischen den Jahren - ein Resümee


 
Weihnachten ist die Zeit der Liebe, des Schenkens und beschenkt werdens. Wir wissen es alle und im Grunde mögen wir es nicht, dieses überschüttet werden von Angeboten der vorweihnachtlichen Glitzerwelt in den Kaufhäusern und gnadenlos überfüllten Weihnachtsmärkten.
Dennoch, man steht unter Druck, wieder das gleiche Ritual wie jedes Jahr zu vollführen und ein Zeremoniell abzuhalten, welches von uns als Familienmitglied erwartet wird. 


Ich weiß nicht, ob es Einbildung war, aber dieses Jahr erlebte ich die Menschen um mich herum in einer Art von nervlicher Anspannung, die mir auf diese besondere Weise etwas fremd erschien. Es war nicht nur negativ, auch eine große positive Erwartung war vorhanden. Ich hoffe nur, dass sich diese Erwartungen weitgehend erfüllt haben. 


Vielleicht war es aber auch meine eigene besondere Lebenssituation, die mir mein Umfeld auf diese Weise vor Augen hielt, meine eigene hochsensible Brille, die ich dieses Jahr scheinbar trage.
Das Bild, welches ich durch diese Brille betrachten konnte, möchte ich jetzt gerne beschreiben.
Im Moment lebe ich alleine in meinem urgemütlichen Dachboden eines alten Fachwerkhauses,  mehr oder weniger mitten in meinem Maleratelier. Das Haus steht in einem idyllischen Dorf und ich bin umgeben von lauter liebenswerten Menschen. Wenn ich aus dem Fenster sehe, breitet sich eine wunderschöne Landschaft vor mir aus. Mitten durch schlängelt sich ein Waldweg tief in ein Tal hinein in dessen Mitte ein kleiner Teich zum Verweilen einlädt. 


Womit habe ich ein solches Glück verdient? Diese Frage stellte ich mir oft in diesem Jahr und ich fand eine Antwort. Ich verdiente mir mein Glück mit dem Mut, den ich Anfang des Jahres aufbrachte, meine alte Haut abzustreifen und mich endlich auf den Weg zu machen, das zu sein, was ich wirklich bin. Und dies ist wahrlich kein leichtes Unterfangen. Zu sein was ich bin hat nichts damit zu tun, welchen Job ich ausübe, wie viel Geld ich verdiene oder in welchen materiellen Nöten ich bin.
Jeden morgen stehe ich früh auf, fahre zur Arbeit und wische viele Quadratmeter Boden, Tag für Tag immer das Selbe, mal mehr mal weniger Schmutz, mal mehr mal weniger Kontakt zu meinen Kollegen. Das Reinigen von Toiletten tut meinem Selbstwert keinen Abbruch. 
Ich bin was ich bin, auch dort und dies ermöglichte mir, Aufgaben zu übernehmen, die nicht gerade zum Tätigkeitsfeld einer Reinigungskraft gehören. Meine Kreativität wurde an allen Ecken gebraucht und geschätzt. 


Ich gehe über den Tag verteilt auch anderen Aufgaben nach, verdiene meinen Unterhalt, so wie es mir gerade möglich ist, lebe zwar am Existenzminimum und in ständiger Ungewissheit, aber ich brauche die restliche Zeit für meine Kunst und den Selbstausdruck, den ich darin finde. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es eine Zeiterscheinung ist, dass die Lebensentwürfe der Menschen einem Wandel unterzogen sind, dass viel mehr Flexibilität gefordert ist, als es einst der Fall war. Nichts bleibt wie es ist. Das wurde mir in diesem Jahr sehr deutlich vor Augen gehalten. Das Leben erwartet von mir die Bereitschaft, dies anzunehmen und mich dieser Tatsache anzupassen. Tue ich es nicht, werde ich daran zerbrechen, wie ein Baum im Sturm.
Die Akzeptanz des Verlustes spielt dabei eine wesentliche Rolle. 


Auch Beziehungen verändern sich, die unguten wurden beendet, neue wahrhaftige Beziehungen geknüpft und Altem wirklich Wertvollem wurde die Chance gegeben zu genesen und wieder aufs Neue zu erblühen. Alles wird sich ändern, auch mein wundervolles Leben hier an diesem gesegneten Ort, wird wieder sein Ende finden, wird aber einem Lebensentwurf weichen, der voll und ganz auf mein wahres Sein abgestimmt ist. Dieser Raum den ich mir gemeinsam mit dem Menschen schaffen werde, der sich als mein „Fels in der Brandung“ über viele Jahre bewiesen hat, wird mir den Platz lassen, den meine Seele braucht, um atmen zu können. Denn diesen Raum sollten wir uns gegenseitig lassen.


Die letzten Monate gaben mir die Chance zu erkennen, was es heißt, zu lieben. Meine Vorstellung von Liebe war zu einem finsteren Bild verkommen und daran waren viele und vor allem sehr alte Ereignisse beteiligt.
Atmen – der Seele wieder Luft lassen, damit sie sehen und fühlen kann, gibt diesen Raum frei, in dem wir der Liebe wieder begegnen. Wer nicht lieben kann erkrankt an Geist, Seele und am Ende auch am Körper. Lieben ist wie atmen, ein und aus in aller Ruhe, in Frieden aber ebenso mit einer klaren Vehemenz, die deutlich zeigt, wo die Grenzen verlaufen zwischen dem Innen und dem Außen, dem Ich und dem Du, wo Verschmelzung gestattet und Abstand vonnöten ist. 


All diese Erkenntnis durfte ich in diesen wundersamen Weihnachtstagen zur Entfaltung bringen und sie erwiesen sich als „wirklich“ im Sinne von wirksam.
Ich bin erfüllt von Frieden und Dankbarkeit. Jetzt – denn ich weiß um die Stürme, die folgen werden, ebenso weiß ich um meine eigene Biegsamkeit, die es mir ermöglicht unter dem schwersten Stein hervorzukriechen und wieder aufzustehen, mich weit zum Himmel aufzurecken und mich in verschiedenste Richtungen auszudehnen.
Eine Seele in Bewegung bricht nicht…

In diesem Sinne wünsche ich allen einen wundersamen Übergang ins neue Jahr 2015

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