Mittwoch, 25. Dezember 2013

Ross und Reiter



Abweisend ist die Nacht und rau, gnadenlos treibts mich durchs Eis. Mich reitet der Geist der Finsternis und ich bin sein schwarzes Ross. Die Haut bedeckt mit Schweiß das Maul voll Schaum lässt er mich kaum zu Atem kommen. Der Schnee ist tief und reißt mir Wunden in die Beine und dennoch lässt er mich nicht ruhen. Die Nacht ist tief und mein Martyrium noch lange nicht zu Ende.
„Wer bist du, dass du mich so treiben kannst, siehst du nicht die Geister in der Nacht? Mich fürchtet doch du jagst mir gnadenlos die Sporen in den Leib!“
Der Geist auf meinem Rücken zerrt die Zügel fest und schreit: „Du kennst mich nicht, du finstre Kreatur? Wie oft zeigte ich dir mein Antlitz doch du hast es weggefegt wie die Fliege auf deinem Brot. Über all die Welten werde ich dich jagen, durch jede Enge schlagen, dich in tiefsten Abgrund blicken lassen, bis du mein Wesen anerkennst!“
Seine Stimme dringt in meine Ohren wie ein Donnerschlag und brennt sich  Bahnen in mein Herz, welches mir das Blut in meine Adern stampft. Schnaubend  stürze  ich zu Boden um mich unter seinen Schlägen wieder aufzurichten. Doch unbarmherzig bleibt der Geist auf mir und peitscht mich grob voran, der unbekannten  Finsternis entgegen.  
Meine Schreie gellen durch die Nacht und nur des Mondes Blicke ruhen sanft auf mir.
Unter hartem Zügel wend ich mich zur Seite, zeige meinen schmerzverzerrten Blick und ruf: „WAS! Sage mir was du willst?“
„Ich bin das, was du seit eh und je verraten hast, eingekerkert hast du mich, dein wahres Ich, dein Selbst! Ja, sieh dich um und blicke mir ins Angesicht, was du siehst bist DU! Wie lang noch willst du mich verleugnen, so tun, als wär ich gar nicht existent? Dein Kampf gegen mich hält den Mond am Himmel fest und das Morgenlicht von dir entfernt. Deshalb treib ich dich durch diese Finsternis. Die Qual soll dir die Augen öffnen, damit du mich erkennst!“
Und wieder treibt er mir die Sporen in die wunden Seiten. Wie lang noch würd ich unter seiner Knechtschaft laufen, er, der mir mein schmerzlich Schicksal webt, und jeden meiner Schritte lenkt. Ach, die  Glieder werden schwer und die Verzweiflung schnürt mir meine Kehle zu. Die letzte Kampfkraft die mir noch geblieben, ist verloren, so  trotze ich der Angst und setze diesem irren Lauf sein Ende, ganz gleich, was jetzt geschehen würde, so wend ich abermals den Kopf und seh dem schwarzen Reiter ins Gesicht.
„Was willst du, dass ich tue, sag es mir?“
Es zeigt der Reiter die feineren Züge, sein Blick senkt sich tief in den Meinen hinab und beschenkt mein Herz mit feurigem Leben. Es regnet seine Stimme über meinem Haupt hernieder und der Dolch der Scham durchborht meine Brust.
„Ross und Reiter sind Eins, wenn du bereit bist, dieses anzunehmen, wird der Mond sein Antlitz verbergen um der Morgenröte ihr Feld zu bereiten. Die Sonne wird uns die Wege erhellen, und sichtbar machen, was wir wirklich sind. Folge dem Pfad nach meiner Weisung und gib von dir alle Furcht. Du und ich sind Eins, und nur als solches werden wir erfüllen das vollkommene Gefüge unseres Seins. Darin liegt der Sinn des Weges.“
Aus samtenen Fäden spannen seine Worte ein Netz, dessen Knoten leuchten wie Sterne um das Feuer tief in mir entfachen, all der Liebe Raum geben um sich darin zu vereinen. In meinen Gliedern fühle ich seinen Willen, mein Herz schlägt gleich dem Seinen, ich atme seinen Atem und ich erkenne mich in seinen Augen, überblicke das Land um mich und erschaue klar die Spur, welcher es zu folgen gilt. Die Geister der Finsternis verschwinden und in der Ferne erstrahlt das Morgenlicht.
Die Nacht wird weichen und ich werde sein, was ich von Anfang aller Zeiten war und bis an deren Ende sein werde.
Bewusst und besonnen setze ich ein Bein vor das andere, betrachte mit allen Sinnen die  Welt um mich und staune. Welch ein Freiraum, welch vielfältiges Leben und die Sonne erstrahlt über mein Land, taucht es in das Licht meines reinsten Empfindens.
Welch ein Geschenk, mit all dem Schmerz und Leid, mit aller Liebe und Hoffnung, Tod und Leben, doch ich werde meinen Auftrag erfüllen und mitten darin sein, was ich bin, jede Sekunde, jeden Tag, jeden Gedanken, jedes Wort und alle Taten - Ich

…und erst wenn ein wahres Ich sich im Wir begegnet erweckt sich der Zauber der Liebe zum Leben.

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