Samstag, 27. September 2014

Meditation - Disziplin oder AchtsamkeitsÜbung ?



 
Wenn ich diesen Worten begegne, mache ich meist einen großen Bogen um sie. Ich bin die permanente Unruhe in mir so sehr gewöhnt, dass ich mich vor der Ruhe fürchte. Stille ist etwas anderes, sie tut gut, sie ist der Gegenpol dessen, was in mir ist. Die Stille beruhigt, aber es bleibt immer eine Restbewegung in mir.

Meditation hat für mich mit Arbeit und Disziplin zu tun - Pflichterfüllung, das Wort fühlt sich an, wie die Hand des Vaters, die mich in mein Zimmer bringt und mir sagt: „setzt dich hin, sei still und übe“. Diesen Vater hatte ich übrigens nie.

Ich konnte als Kind schon nicht still sitzen und galt als „schwer erziehbar“, weil ich keine Regeln anerkennen konnte. Disziplin hatte für mich immer mit Gewalt zu tun. Ich mag es heute noch nicht, wenn man mir vorschreibt, was ich zu tun habe.
Ich wehre mich gegen jede Form von Grenzen, vergesse dabei aber auch, selbst welche zu setzen - hin und wieder, denn es wird besser.
Die Grenzen des Anderen sind mir heilig, manchmal zu heilig. Meine „Heiligkeit“ hat mir schon so manche Begegnung verwehrt.

Ich gehe zurück, zu mir, trete in mich ein, schließe die Tür hinter mir und liefere mich mir selbst aus. Jetzt lausche ich meinem inneren Lärm – Kopfkino – ein Schwall durcheinander wirbelnder Bilder, haushohe Papierbögen voll geschrieben mit Worten und Sätzen, untermalt mit Zeichnungen, die Schnittmustern gleichen. Regale voller Überlegungen, riesige Arbeitstische auf denen Ideen liegen. Manche seit Jahren konserviert. Der Boden unter mir ist belegt mit Erklärungsversuchen. Ich denke oft, ich habe etwas Autistisches an mir.
Ich sehe mich um – muss erst einmal Platz schaffen um mich niederlassen zu können. Wo gibt es hier einen Ruhepol? Ich denke an einen Traum und sehe das große alte Zimmer wieder mit den breiten rot gebohnerten Holzdielen. Alte Möbelstücke und schwere Samtvorhänge bilden ein groteskes Durcheinander. Alles verstaubt, ich trage mehrere Leben mit mir herum, setze mich endlich auf eine alte Holzkiste – schweige.

Ich harre der Dinge, die da kommen und finde den Fluss wieder, der sich lebhaft durch sein Bett gräbt, höre das Gluckern und Sprudeln des Wassers und begebe mich in seine kalte Dichte. Ich war siebzehn Jahre alt, als Herrmann Hesse mich mit seinem „Siddartha“ beeindruckte, den er am Fluss seine Erleuchtung finden lies und hoffe immer noch, Jahrzehnte später.
Auf was warte ich eigentlich? Was erhoffe ich mir?
Meine Gedanken ziehen mit dem Wasser davon und ich lasse sie gehen. Ich brauche keine Antworten, nicht jetzt.
Der Fluss nimmt alles mit sich, was ich war und bin, was bleibt ist bedeutungslos. Ich bin bedeutungslos und verliere das Ich. Welch eine Erleichterung. Die Lasten schwinden, Schwerkraft zerfällt. „Gleichgültigkeit“ ist die stille Antwort des Flusses und ich bleibe lange an seinem Ufer sitzen.

……………..


Jetzt trenne ich den Fluss von mir, entziehe ihm alles, was er mir genommen hat und sammle es ein. Ich hole Luft, als hätte ich Stunden nicht geatmet und mir wird übel. Die Physik nimmt wieder Besitz von mir, ich kann sie nicht leugnen, ich will leben. Ich bin ein Komet mit einem langen Schweif und brenne im Flug durch das Leben. Der Komet wird verglühen, Materie verbraucht sich und es bleibt GLEICH-GÜLTIG.

Die Stimmen im Kopf sind ruhiger, sie reden nicht mehr durcheinander, jetzt hören sie sich gegenseitig zu, lassen sich ausreden – sind achtsam.




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